
Gott schütze uns vor „Experten“ im täglichen Talk

Innerhalb der medialen Politikdarstellung und Vermittlung kommt dem Fernsehen eine besondere Bedeutung zu. Es hat sich aufgrund seiner nahezu flächendeckenden Verbreitung und überdurchschnittlichen Nutzungsdauer zu einem Leitmedium entwickelt. Für die Politikvermittlung im Fernsehen sind die politischen Talkshows, aufgrund ihrer grossen Anzahl und Marktanteile, immer relevanter geworden.
Es wurde schon sehr viel über Talkshows geschrieben und oft wurde das Genre bereits totgesagt und dennoch sind sie aus der deutschen Fernsehlandschaft weiterhin nicht wegzudenken. Zumindest das was landläufig als politische Talkshow verstanden wird, erfreut sich fortgesetzt einer gewissen Beliebtheit.
Seit der Klimawandel, die Corona-Krise, der Energiemangel, die Inflation und der Ukraine-Krieg die alltagsbestimmenden Themen darstellen und die Schlagzeilen beherrschen, entwickeln sich die Main-Stream-Medien und vor allem die unzähligen Polit-TV-Shows zu einer Plattform, wo sich die „Experten“ für Krisenbewältigungsmassnahmen und Zukunfts-Prognosen jeglicher Art die Klinke in die Hand geben und von den Programmgestaltern und Moderatoren herumgereicht werden.
Die Talkshows sind unerbittlich in das Zentrum der televisionären Politikdarstellung gerückt und haben dieser Funktion die einstmals dominanten politischen TV Magazine abgelöst. Die Talkshow-Schwemme verdrängt dabei andere, vor allem filmisch journalistische Formate und Formen, die überwiegend gut recherchiert waren und über einen hohen Informationsgehalt verfügten.
So gesehen, können die Vielzahl an Polittalks als ein Symptom angesehen werden, welches die „Schwäche des Nachrichtenjournalismus“ in Deutschland widerspiegelt, weil in einigen Formaten mehr die Unterhaltung als die seriöse Information im Mittelpunkt steht.
Die Themenfindung der pseudo-politischen Talkshows unterliegt Konjunkturen und Quotenkalkülen, sie sind nicht vorausschauend und tragen reaktiv aus, was jeweils „in“ ist und in den Print- und vor allem sozialen Medien gerade hauptsächlich thematisiert ist.
Sie dienen in erster Linie einer gewissen medialen Radikalisierung von Standpunkten und vor allem der Bestätigung von Vorurteilen, was oft zu einer populistischen Debatten-Kultur führt.
Diese wird dadurch verstärkt, da zwischen den vielen politischen Talkshows sich ein ungesundes Konkurrenzdenken breit gemacht hat, da man darauf angewiesen ist, die Temperatur der Themen und der Pseudokonfrontationen permanent hoch halten zu müssen, um entsprechende Einschaltquoten zu erzielen.
Das führt zu einer Art von planwirtschaftlichem Fernsehen, da diese Formate im Vergleich zu Sendungen, die anstrengende und intensive Recherchen erfordern, kostengünstig zu produzieren sind und für strukturelle Regelmässigkeiten sorgen, die den Programmgestaltern gefallen und mit wenig Risiken behaftet sind.
Sie vernachlässigen aber dabei, dass die zunehmende Quantität der privaten Fernsehsender eine negative Qualität der Sendungen bewirkt und eine Reizüberflutung beim Zuschauer verursacht.
Teilnehmer an den Diskussionsrunden werden oft gecastet, wie es für die Besetzung von Rollen im Theater und in Filmen üblich ist, um einen politischen Diskurs zu simulieren, der für die notwendige Dramaturgie der Sendung sorgt.
Ein weiteres Dilemma ist auch, dass in diesen Talkshows zu viele Menschen aus der Politik und deren Organisationen sitzen und zu wenige aus der Zivilgesellschaft, sodass somit kaum konstruktive Debatten entstehen können. Damit sind diese abendlichen Veranstaltungen zu einer Propagandabühne geworden, wo die Politiker ihre Ideologien ausleben können und nur wenig sinnvolle Diskussionen mit den einseitig ausgesuchten Gästen erfolgt.
Das liegt auch daran, weil die journalistische Leistung mancher Moderaten in diesen Gesprächsrunden zu wünschen lässt, da ihnen oft die kritische Distanz bei der Interviewführung fehlt, ebenso was die Auswahl der Fragen anbelangt und ihr ungenügendes Engagement einzugreifen, wenn die Politiker, Experten und Gäste konsequent aneinander vorbeireden und keinen gewinnbringenden Dialog der Erkenntnis möglich macht.
Wesen der Talkshows
In der Mediengesellschaft sollen die politischen Talkshows als Forum von öffentlicher Kommunikation über aktuelle politische Themen dienen. Sie präsentieren als öffentlicher Diskurs die Möglichkeit des Austausches und der Verständigung für Teilnehmer, Studio- und Fernsehpublikum und haben dementsprechend einen differenzierten, oder oft auch gar keinen, Nutzen.
Die politischen Akteure instrumentalisieren in der Regel die Diskussionen nicht, um zu neuen Erkenntnissen oder gar zu einem Konsens in einer politischen Streitfrage zu gelangen, sondern um positive Reaktionen bei den Adressaten ihrer Botschaften zu erreichen.
Daher bemühen sie sich in politischen Gesprächssendungen auch weniger um sachliche und rationale Argumentation, sondern bevorzugen oft einen polarisierenden Diskurs, um die konkurrierenden Gesprächsteilnehmer zu diskreditieren. Dabei versuchen sie einem argumentativen Disput auszuweichen, vor allem bei Themen, die ihnen unangenehm sind.
Sie kommen lieber auf aus ihrer Sicht wichtigere Themen zu sprechen, um sich selbst zu profilieren, den Kontrahenten zu schwächen und damit auf subtile Weise Werbung für die eigene Person und Partei betreiben und das Fernsehen als Popularitätsmaschine benutzen zu können.
Politiker, aber auch Journalisten und andere geladenen Experten können in politischen Talkshows ihre rhetorischen Fähigkeiten, ihre Verbalisierungs- und Polemisierungskompetenzen ausleben, weil sie wissen, dass eine gute emotionale Rede den Verstand und auch vor allem die Gefühle der Zuschauer anspricht und durch opportunistische Sinnesvernebelung verhindert wird, dass man sich kritisch mit Fakten auseinandersetzt.
So ist die Talkshow zur Bühne der Selbstinszenierung der Politiker geworden, deren Auftritte immer stärker choreografiert und von Beratern gesteuert werden und für die Zuschauer in der Regel weniger durchschaubar sind. Oft knüpfen die Protagonisten Bedingungen an ihren Auftritt, wollen nur mit gleichrangigen Politikern konkurrierender Parteien reden bzw. nicht mit bestimmten Kontrahenten und es entsteht so eine heimliche Agenda als zweite Ebene der politischen Debatte, die an der TV-Oberfläche nicht wahr genommen wird.
In den Redaktionen wird der Ablauf der Sendung und deren Dramaturgie schriftlich festgelegt und es gilt als eine Art Erfolgskriterium, wenn die Talkshow so abgelaufen ist, wie sie geplant war.
Grosser Beliebtheit erfreutes sich auch Prominente einzuladen, die von der Materie meist keine besondere Ahnung haben, aber für bessere Einschaltquoten sorgen und für den Zuschauer eine quasi Stellvertreterrolle des „normalen“ Volkes vermitteln.
Die Programmverantwortlichen beabsichtigen damit, dass mit humorvollen, ironischen, aber auch gefühlsbestimmten Gesprächssequenzen, die formale verbissene Ebene aufgeweicht wird, damit eine gewisse Ablenkung, Entspannung und emotionale Entlastung des Studiopublikums und des Fernsehzuschauers erfolgt.
Inflation der Besserwisser
Bei den Polit-Talkshows soll das Publikum durch konfliktgeladene Diskussionen unterhalten werden. Mit der Auswahl von Gästen, die konträre Positionen vertreten, die ein Aufmerksamkeit erhaltendes Konfrontationspotential für den Verlauf einer Sendung garantieren, kommen die Programmverantwortlichen diesem Interesse entgegen.
Neben der Riege der TV-süchtigen Politbesserwisser, werden unzählige Top-„Expertologen“, Alpha-Expertonomen“, Mega-„Prognostopathen“ und zweibeinige, journalistische Faktenchecker, die sich als selbsternannte Berichterstatter-Kapazitäten und Meinungsmacher aufspielen, förmlich durch die Studios getrieben.
Sie mutieren dabei zu profilierungssüchtigen Aktivisten, die sich im Licht der öffentlichen Studiosonne nicht mehr länger an Wissenschaft und seriösen Evaluierungen gebunden fühlen und zum Teil mit abenteuerlichen Thesen aufwarten, um ihre Expertise besonders nachhaltig dem Bürger näherzubringen.
Sie sehen sich als „Berater“ berufen, um sich mit konkreten Handlungsanleitungen, Forderungen und Vorhersagen in die politische Entscheidungsfindung einmischen zu können und dies zum Teil mit recht fachidiotischen Tunnelblicken und Darlegungen, die sich hart an der Grenze der Zuschauer-Manipulation bewegen.
Dadurch wird eine umfassend objektive Information der Zuschauer nahezu unmöglich gemacht, da man den Wahrheitsgehalt der getätigten Aussagen in der Kürze der Sendezeit nicht überprüfen kann, zumal die Kontrahenten obligatorisch der Meinung sind, dass die Aussagen der „Anderen“ konformistisch schwammig und überwiegend falsch sind.
Erschwerend kommt hinzu, dass die Moderatoren nur wenig dazu beitragen, um eine objektiv richtige Klärung herbeizuführen und dies dem Zuschauer überlassen, der in der Regel damit überfordert ist.
Besonders auffällig ist hierbei, dass von diversen Diskutanten und leider auch von einigen Moderatoren in ihren Formulierungen zu viele Fremd- und Fachwörter benutzt werden, die ohne eine entsprechende Erklärung für den potenziell unwissenden Zuschauer nicht verständlich sind.
In diesem Bereich zeichnen sich besonders die eingeladenen „Experten“ aus, durch deren direkte Konfrontation mit unterschiedlichen Meinungen und Argumenten, die Zuschauer in die Lage versetzt werden sollen, verschiedene Positionen zu einem Thema miteinander vergleichen zu können.
Durch Analysen und seriöse fachliche Expertisen sollen Aussagen und Meinungen der vertretenen politischen Akteure sowie der Betroffenen um denkbar neutrale, wissenschaftlich begründete Aussagen ergänzt und/oder konterkariert werden.
Es stellt sich allerdings zum allgemeinen Leidwesen zunehmend heraus, dass sie diesen Anforderungen in den wenigsten Fällen gerecht werden und ihre Diskussionsbeiträge kaum als erklärende und analysierende Unterstützung für eine rationale Urteils- und Willensbildung auf Seiten der Adressaten gewertet werden können und oft die allgemeine Verwirrung auf ein höheres Niveau geschraubt wird.
Da es im Internet und auch im Fernsehen keine vergleichbaren Plattformen zu den Talkshows gibt, sind vor allem die Politiker, egal, ob von der Regierungs-, Landes- oder Kommunalebene sehr daran interessiert eingeladen zu werden und dies natürlich möglichst oft.
Hinsichtlich der Gästestruktur lässt sich feststellen, dass der Anteil von Politikern je nach Thema und Sendung mit über vierzig Prozent relativ hoch ist und diese Gruppe zeichnet sich durch eine hohe Zahl an mehreren Auftritten der gleichen Personen aus, die im Rampenlicht der Öffentlichkeit stehen und einen Prominenten-Bonus haben, sodass es wahre Talkflaggschiffe gibt, die mit der hohen Frequenz ihrer Auftritte versuchen die Polit-Szene zu dominieren.
Karl Lauterbach wäre ohne seine unzähligen Auftritte niemals Bundesgesundheitsminister geworden, sodass man getrost davon sprechen kann, dass seine Wahl der erste Volksentscheid via Talkshows gewesen ist.
Talkshows können allerdings auch die Unsicherheit oder den Mangel an Cleverness und Fachwissen eines Politikers gnadenlos offenlegen, wie jüngst bei dem Gestammel unseres eigentlich rhetorisch begabten Wirtschaftsminister zu sehen und hören war. So war es kein Wunder, dass er für seine fachliche Fehlleistung viel Spott ertragen musste und diese als „intellektuelle Insolvenz“ tituliert wurde, wobei assoziiert wurde, dass man nicht unbedingt tot sein muss, wenn man nicht mehr atmet.
Besonders blamabel ist hierbei, dass am nächsten Tag sein Ministerium krampfhaft versuchte seine fachliche Unkenntnis zu relativieren und der als SPD- und EZB-Claqueur abqualifizierte Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung DIW, Marcel Fratzscher, sich bemühte, mit sehr spitzfindigen Argumenten, die Aussagen von Habeck als zutreffend zu bezeichnen, was nur sehr leidlich gelang. Vielleicht bewirbt er sich demnächst für das Amt des Regierungs-Erklärungsministers, dem es an Arbeit wahrlich nicht mangeln würde.
Neben der Präsentation der Polit-Granden ist zu verzeichnen, dass gerne auch Politiker eingeladen werden, die bekannt sind für steile, z. T. auch extremistische Thesen und ein gewissen Krawallfaktor garantieren, wie es z.B. bei Boris Palmer, Ralf Stegner, Wolfgang Kubicki und Sahra Wagenknecht der Fall ist und was obendrein noch für gute Quoten sorgt.
Bei den anderen Gästetruppen des Journalismus und der sog. Fach-Experten, ist dies in einem derartigem Ausmass nicht der Fall und es erlangten aber, je nach Fachgebiet, vorher unbekannte „Expertologen“ wie Christian Drosten und Hendrik Streek und „Expertonomen“, wie Marcel Fratzscher, die omni-präsente Energie-Plaudertasche Claudia Kempfert (beide DIW) und Clemens Fuest (Ifo), eine gewisse Berühmtheit.
Sie geniessen es im Rampenlicht der Öffentlichkeit zu stehen und verspüren zunehmend Lust auch weiterhin eingeladen zu werden oder höhere Ämter zu bekleiden.
Die Talkshow-Gastgeber sind weiterhin vermehrt dazu übergegangen Journalisten von der Print-Presse einzuladen, um von deren publizistischer Expertise zu profitieren und sie als eine Art Hilfs-Moderatoren und menschliche Faktenchecker zu nutzen. Das ist allerdings nicht ganz unproblematisch, wenn Medien über sich selbst berichten, ständig zwischen Fakten und Meinung hin- und herspringen und damit in die Rolle von Fachleuten schlüpfen, die sie eigentlich nicht sein können.
Besonders auffällig ist, dass die Programmgestalter anscheinend die Verantwortlichen der Wirtschaft und Industrie, entweder verschonen, oder es ihnen nicht gelingt, diese ins Studio zu bringen.
Sie werden dringend benötigt, damit Legitimationen für ökonomische Handeln der Regierung, im Sinne einer gesellschaftspolitischen Akzeptanz, möglich werden und deren Kritik sowohl auch Zustimmung für eine bessere Orientierung der Zuschauer sorgt und bestimmten Ritualen des Schema „F“ der Politiksimulation entgegen wirkt.
Hütet Euch vor falschen Propheten
In Bezug auf die derzeit herrschenden Krisen und ihre Problemlösungsstrategien, macht sich bei einem Grossteil der Talkshow-Zuschauer die Ärgerlichkeit breit, dass zu viele „selbsternannte“ und profilierungssüchtige Experten aus Politik und Wissenschaft die Szene bevölkern, die nicht über die notwendige Sach- und Fachkompetenz verfügen und sich im ständigen Widerkauen von irgendwelchen, schlecht recherchierten Argumenten ergehen und für viel Verwirrung und Desorientierung sorgen.
Vor allem liegt der Überdruss darin begründet, dass Drohung, Angst und Panikmache permanent geschürt werden, die „Ankeifereien“ der apokalyptischen Reiter der Pandemie und die Endzeitgallopierer des Klimawandels und deren oft nicht zutreffenden Zukunftsprognosen des simulierten Untergangs, eine Furchtsamkeit verbreiten, die zum „Lustkiller für Politik“ wird und der Glaube an den Staat verloren geht.
Unser skurriler Gesundheitsminister ist der Prototyp des Corona-Erklärers und omnipräsent mit seinen inflationären Warnungen, Mahnungen und Prognosen und kaum noch von der öffentlichen Bildfläche und den sozialen Medien wegzudenken. Vom anfänglichen „Gesundheitsminister der Herzen“ ist nicht viel übrig geblieben, das er nichts unversucht gelassen hat, sich durch seine permanent düsteren Prophezeiungen und seinem Missmanagement im Gesundheitswesen selbst in das gesellschaftspolitische Abseits zu manövrieren und um seine Amtsunfähigkeit zu beweisen.
Obwohl er bei einigen Prognosen absolut richtig lag, lässt er keine Gelegenheit aus, mit seiner Panik machenden „Erziehung durch Angst“ ein kommunikatives Desaster in der Regierung, den Fachbehörden und in der Gesellschaft zu bewirken und wartet mit Prognosen auf, die sich immer weniger im Einklang mit den Einschätzungen und den getroffenen Massnahmen der EU-Mitgliedsstaaten befinden.
Er betätigt sich lieber als Pharmalobbyist und mimt nach eigener Infektion den Referenten für das Corona-Medikament PAXLOVID von Pfizer und weist Patienten Wege an, wie sie ihr Rezept durch telefonische Bestellung direkt und schnell bekommen können.
Er kommt regelmässig mit neuen „Killervarianten“ des Coronavirus und fiktiven Todesfallzahlen um die Ecke, ohne wissenschaftliche Begründungen und das entsprechende Zahlenwerk dafür zu haben und schürt ohne wirklichen Grund die Angst in der Bevölkerung, was das Phänomen Lauterbach zu einem skandalöse Auslaufmodell macht, dessen Tage des politisches Überlebens eigentlich schon längst gezählt sein müssten.
Marcel Fratzscher vom DIW, der u. a. auch als EZB-Beifallklatscher lauthals verkündete, dass unsere Inflationssorgen vollkommen unbegründet sind, die Schuldenbremse kontraproduktiv und die kalte Progression zu teuer sei und sich Deutschland im Sinne Europas massiv verschulden soll, ist der Prototyp eines „Prognostopathen“ des immerwährenden Zweifels und ein typisches Beispiel dafür, dass man Sachverhalte extrem ins Gegenteil verdrehen kann.
Er zeigt einmal mehr, dass man ihn nur begrenzt ernst nehmen kann. Wie meistens bei ihm sind seine Aussagen „halbrichtig“, also faktisch falsch, was trotzdem ausreicht, dass er als führender deutscher „Ökonom“ ungeniert sein Unwesen treiben kann.
Ähnlich ergeht es seiner Kollegin Claudia Kempfert, die als Energieökonomin im gleichen Institut tätig ist und als Kassandra der Energieweissagung mit Theorien und Weissagungen aufwartet, die sehr umstritten sind. Ihre Aussagen werden von vielen anderen Energie-Fachleuten angezweifelt, doch geniesst sie in Regierungskreisen ein hohes Ansehen, da sie als verlässliches Sprachrohr die Massnahmen des Wirtschafts- und des Umweltministerium als notwendig ansieht und diese vehement verteidigt.
Sie wird flankiert von Bundeswetterhellsehern und fanatischen Befürwortern von „Freiheitsenergien“, welche Kernenergie als Teufelswerk abtun, Wind und Sonne als absolut ausreichend erachten, um uns von russischen Energieimporten unabhängig zu machen und drohende Strom-Black-Outs zu verhindern.
Reserve-AKWs nach Bedarf, wie eine Glühbirne beliebig an- und ausschalten zu können ist zwar ideologiepolitisch mehr als wünschenswert, aber technologisch gesehen eine pure Wahnvorstellung, die mit der Sicherheitskultur der Betreiber unvereinbar ist, weil keinerlei Erfahrungswerte vorliegen und erhebliche Risiken damit verbunden sind.
Ähnlich verhält es sich mit Gas- und Kohlekraftwerken, die ebenfalls in dieser Richtung recht unflexibel sind. Man kann sie zwar relativ schnell abschalten, aber um sie dann sozusagen aus einer Stand-by-Funktion wieder auf Volllast hochzufahren, dauert es einige Tage und wenn man Strom unmittelbar benötigt, ist das damit nicht machbar, ganz abgesehen von den extremen Kosten, die solche Manöver verursachen.
Wenn das nur in kleinen Teilen umgesetzt wird, was einige dieser Pseudo-Autoritäten in den Sendungen so von sich geben, dann sehen wir extrem lausigen Zeiten entgegen und Deutschland kann sich von seiner Rolle als Weltrettungs- und Exportweltmeister nachhaltig verabschieden.
Zu einer gewissen Ehrenrettung muss man konstatieren, dass einige Prognosen der Vergangenheit deswegen nicht eingetreten sind, weil man die Probleme rechtzeitig angegangen hat, wie es beim sauren Regen, Waldsterben und dem Ozonloch der Fall war.
Wir lieben es, wenn Experten sich irren, es gibt uns Laien das wohlige Gefühl, dass unser eigenes Unwissen gar nicht so schlimm ist, es befreit uns zudem von dem deprimierenden Gedanken, in einer vorgezeichneten Welt zu leben und im Fall von den mannigfaltigen Weltuntergangsszenarien hilft es uns, die geistige Kakofonie der Propheten der Vorsehung auszuhalten.
Wir sind uns bewusst, dass wir unser Verhalten verändern sollten, tun es aber dennoch nicht, weil alles schon nicht so schlimm sein wird.
Dieses Phänomen ist so alt wie die Menschheit und es war schon immer bequemer und schöner Vorteile auszunutzen und die damit verbundenen Nachteile nicht mitzutragen, getreu dem Verhaltensmuster „Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass“.
Diese Attitüde wird sich erst ändern, wenn sich die auf dem Tiefpunkt befindliche Glaubwürdigkeit in Politik und Medien entscheidend verbessert und das Vertrauen in Aussagen, Handlungen, Personen und Institutionen zurückkehrt und eine Verlässlichkeit daraus abgeleitet werden kann.
Leider sind wir momentan meilenweit davon entfernt und eine Besserung ist nicht in Sicht.
Fazit
Politische Talkshows bieten in unserer heutigen Mediengesellschaft ein (noch) vielbeachtetes Forum für die öffentliche Diskussion über politische Themen, doch sind sie nur ein sehr begrenztes Medium, welches einen relevanten Beitrag zur politischen Bildung der Zuschauer leistet bzw. leisten kann.
Die politische Talkshow mischt Information mit Unterhaltung und inszeniert Politik und ist deshalb nicht mit idealistischen, humanistischen und medienkritischen Gesichtspunkten vereinbar, die für die Schaffung von seriösem politischen Allgemeinwissen notwendig sind.
Bei der televisionären Politikvermittlung wird für die Wahrnehmung der Bürger der Versuch unternommen, die Politik in ihrer Komplexität zu reduzieren und zu vereinfachen, um sie damit leichter verständlich und durchschaubar machen, was in vielen Fällen nicht gelingt.
Damit werden Analysen des Philosophen Jürgen Habermas bestätigt, der sich intensiv mit dem „Strukturwandel der Öffentlichkeit“ beschäftigt hat und darin eine Transformation vom aktiven räsonierenden Publikum zum passiven, konsumierenden und manipulierten Massenpublikum sieht.
Habermas bemerkte weiterhin, dass die Medien am beklagenswerten Gestaltwandel der Politik nicht unbeteiligt sind und sich die Politiker vom Zwang der Medien zur kurzatmigen Selbstinszenierung verführen lassen. Die munteren Moderator(inn)en der zahlreichen Talkshows richten mit ihrem immer gleichen Personal einen Meinungsbrei an, der dem letzten Zuschauer die Hoffnung nimmt, es könne bei politischen Themen noch Gründe geben, dass diese zählen.
In den Polit-Talkshows diskutiert meist eine kleine privilegierte Gruppe über Themen, die eigentlich die ganze Gesellschaft betreffen. Studien haben ermittelt, dass zwei Drittel der Gäste Politiker oder Journalisten sind und Menschen aus Kultur, Zivilgesellschaft und den sozialen Bereichen nur selten zu Wort kämen.
Diese Kritik wird dem momentanen Zeitgeist entsprechend noch dadurch ergänzt, dass nicht genug Menschen mit Migrationshintergrund, „People of Colour“, Frauen und auch Ostdeutsche in den Politik-Runden auftauchen und unterrepräsentiert sind, sodass die Gästeauswahl, wegen Mangel and Diversität, oft als diskriminierend angesehen wird.
Die Polit-TV-Shows bedienen sich, je nach Art und Aufbau der Thematik sowie des Sendeformats, diverser Bausteine, die versuchen zu veranschaulichen, zitieren, Pro und Contra gegenüberstellen, abstrakten Problemen ein Gesicht geben, konfrontieren, widerlegen, Inkonsistenzen aufzeigen und blossstellen, provozieren, suggerieren, Vorannahmen widerlegen, verschiedene „Wahrheiten“ zu verkünden, Volkes Stimme artikulieren, negative und positive Fallbeispiele nennen, damals und heute vergleichen und die Theorie und das „wahre Leben“ aufzuzeigen.
Je nachdem wie diese Bausteine kombiniert werden und welche Moderatoren die Gesprächsführung innehaben, kann man den Talkshows durchaus ein positives Potential zusprechen, welches in der modernen Mediendemokratie ein bedeutendes Momentum und legitimes Mittel für die Veranschaulichung und Verlebendigung politischer Positionen und Prozesse darstellen kann.
Dies könnte dazu dienen, dass durch eine unterhaltungsorientiere Medienkultur, Bürger, die sich weniger für Politik interessieren, diesen Diskursen näher gebracht werden und ihren Bildungshorizont erweitern.
Es darf aber dabei nicht vergessen werden, dass die politische Gesprächssendungen im Fernsehen vor allem als Plattformen für Parteien- und Politikerwerbung angesehen werden müssen und die dazu eingeladene Gästegruppe der „Experten“ ihre Auftritte vornehmlich zur Selbstinszenierung missbrauchen und sich sehr viele Prognosen zur Problem- und Krisenbewältigung als wenig realistisch und durchführbar erweisen.
Wenn man allerdings sieht, wie diese Sendungen die Programmgestaltung der Sendeanstalten beeinflussen, kann man, seit die Corona-Krise und der Klimawandel zu prioritären Themen wurden und nun auch noch die Inflation, der Ukraine-Krieg und die Energiekrise dazu kam, von einer „Talkshowisierung der Politik“ oder auch einer „Industrialisierung der Kommunikation“ reden, die eine Ära des neuen „Politainments“ mit hohen Einschaltquoten zustande bringen will.
Diese überbordende Präsenz trägt leider viel zu wenig zur Klärung der dringlichen gesellschaftlichen Fragen bei, weil die Nabelschauen der Diskussionsteilnehmer mehr zur Bewusstseinsspaltung der Zuschauer beitragen als ihnen pragmatische Antworten und Lösungsansätze zu vermitteln.
Grund dafür ist, dass die Teilnehmer bei diesen vom Programmgestalter arrangierten Diskussionsrunden sich möglichst gut „verkaufen“ wollen und die differenzierte, vor allem sachbezogene Argumentation auf der Strecke bleibt.
Das ist insbesondere dann der Fall, wenn der Moderator lediglich als Stichwortgeber fungiert, nicht kritisch hinterfragt und deswegen nicht als Stellvertreter der Zuschauer angesehen werden kann, weil er nicht ihren grundlegenden Interessen bezüglich klarer und verständlicher Fragen und Antworten seitens der Diskutanten nachkommt.
Momentan ist zu verzeichnen, dass auf Dauer die Talkshows an ihrer eigenen, mittlerweile eingeübten, lähmenden Strenggläubigkeit und Quotenjagd ersticken. Der glatte, risikofreie Sendungsablauf ist ein falsches Ideal, sodass die Belohnung für Wiedererkennbarkeit und wiederholte Rituale, für die immer gleichen Top-Gäste sowie der anscheinend bewährte, aber beträchtlich eingeschränkte Fokus auf die gesellschaftliche Wirklichkeit, in die falsche Richtung führen.
Die deprimierend homogene Berücksichtigung und Vorführung des immer wieder gleichen Personenkarussells sorgt für eine „stimmungsdemokratische“ Erstarrung und Routine, die bei den Zuschauern auf Dauer keine Akzeptanz finden und eine eklatante Talkshow-Müdigkeit hervorrufen wird.
So gesehen, kann die Talkshow im Fernsehen nicht als Stellvertreter-Medium für das demokratische Gespräch dienen, da durch sie gesellschaftliche Ungleichheiten reproduziert werden, welche durch eine vorgegebene Diskussions-Dramaturgie und einem beabsichtigten „Schlachtverlauf“ vorgegeben sind und die Gefahr besteht, dass sie zu einem manipulierten Beeinflussungsmedium wird, dem es an der notwendigen politischen Neutralität mangelt.
Weiterhin weiss der Zuschauer bei dem Überangebot an Polit-Talkshow nicht mehr, worauf er sich wirklich verlassen kann, weil die Beliebigkeit wächst und die Verbindlichkeit schwindet, was die Zuverlässigkeit und Glaubwürdigkeit der Aussagen und Handlungen anbelangt.
Es erhebt sich somit die Frage, ob überhaupt Polit-Talkshow notwendig sind und es nicht besser wäre herkömmliche Talkshows und separate, gut recherchierte und in die Tiefe gehenden, politische Sendungen auszustrahlen.
Dabei ist es absolut unstrittig, dass die Politik die Medien benötigt, um eine für die Demokratie fruchtbare und völlig selbstständige Institution zu haben, die eine losgelöste gesellschaftliche Selbstverständlichkeit betreibt, die auf die nüchterne Betrachtung der Wirklichkeit ausgerichtet ist.
Leider wird diesem Auftrag nur rudimentär entsprochen und diese Art der politischen Aufklärung macht keine Fortschritte. Die Sendungen haben als Hauptbühne den Polit-Streit auserkoren, um Persönlichkeiten vorzustellen, die sich vornehmlich selbst in Szene setzen und dadurch politische Inhalte verfälscht und fachliche Analysen der gesellschaftlichen Probleme verwässert werden und zunehmend verloren gehen.
Die Zuschauer erwarten speziell in diesen schwierigen Zeiten vor allem kompetente, sachliche Informationen und keinen allgemeinen Meinungsaustausch. Sie wollen keine künstlich befeuerte „Empörungsdemokratie“, die immer nach dem gleichen dramaturgischen Muster abläuft und zur Schau getragen daher kommt.
Die Forderungen für eine Rückkehr zu Wahrheitsorientierung, Skepsis und Transparenz nehmen zu und man wünscht, dass die Sendungen Orte des „zivilisierten Streits“ sind und Kompromisse erzielt werden, welche gesellschaftsdienlich sind.
Das kann aber nur erfüllt werden, wenn die inflationäre Anzahl der Polit-Talkshows abnimmt, sich deren Konzepte ändern, wo nicht wie in einer Pseudo-Doku-Soap jeder Diskutant eine Rolle zugewiesen bekommt und die Protagonisten verbale, einstudierte Ringkämpfe abliefern, welche anstatt für gute Quoten zu sorgen, einen eklatanten Rückgang des Zuschauerinteresses bewirken.
„Die heutige politische Klasse ist gekennzeichnet durch ein Übermass an Karrierestreben und Wichtigtuerei und durch ein Übermass an Geilheit, in Talkshows aufzutreten“
Helmut Schmidt
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